Britischer Premier Johnson
Vom Corona-Verlierer zum Cheflockerer
Boris Johnson plant die R??ckkehr zur Normalit??t: Langsam, aber mit Nachdruck will der Premierminister die Briten aus dem Shutdown entlassen. Und pl??tzlich steigen auch seine Umfragewerte.
Boris Johnson: ??Wir machen uns Sorgen, zu ambitioniert zu sein??
Foto: BEN STANSALL??/ AFP
Wie immer verspricht Boris Johnson viel. Als er am Montagabend die Pl??ne seiner Regierung im britischen Parlament vortrug, stellte er nichts Geringeres in Aussicht, als das endg??ltige Ende des Shutdowns ??? und somit der Einsamkeit, Einschr??nkungen und Entbehrungen. Das Land k??nne nun die ??Einbahnstra??e in die Freiheit?? einschlagen, so der Premierminister in seiner Rede. Bis zum 21. Juni m??chte er alle Corona-Ma??nahmen aufheben, und zwar f??r immer.
Aktuell befindet sich Gro??britannien in seinem dritten strengen Shutdown, das Land verzeichnet mit mehr als 120.000 Toten mehr Opfer als alle EU-Mitglieder. Bisherige Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktsperren hatten in der Vergangenheit zu neuen heftigen Infektionswellen und der Ausbreitung einer hochansteckenden Virusmutation gef??hrt.
??Wir machen uns Sorgen, zu ambitioniert zu sein??, sagte der Premier nun im Parlament zu seinem Lockerungszeitplan. ??Es k??nnte arrogant wirken, Pl??ne gegen ein Virus aufzustellen.?? Die fortgeschrittenen Corona-Impfungen h??tten die Lage allerdings grundlegend ver??ndert, verwies er gleichzeitig auf den gr????ten Erfolg seiner Regierung: Mittlerweile ist fast jeder dritte Brite geimpft, t??glich erhalten rund 300.000 weitere eine Dosis. Bis zum 15. April sollen in Gro??britannien alle ??ber 50-J??hrigen gegen das Virus immunisiert sein, im Juli schlie??lich alle Erwachsenen.
Zwar m??sse die R??ckkehr zur Normalit??t vorsichtig eingeleitet werden, so der Premier. Daf??r aber sollen die Lockerungen ??unwiderruflich?? sein. Dabei stellte er Erleichterungen im Wochentakt in Aussicht: Am 8. M??rz sollen alle Schulen ??ffnen und Pflegeheime wieder Besuche empfangen d??rfen. Drei Wochen sp??ter, mit Beginn der Osterferien, sollen sich bis zu sechs Personen oder zwei ganze Haushalte im Freien treffen d??rfen. Etwa im F??nfwochentakt soll es so weitergehen ??? denn dieses Intervall sei n??tig, um die Effekte der jeweiligen Lockerungen nachzuvollziehen, so Johnson. Mehr zum britischen Zeitplan finden Sie hier.
Mit den j??ngsten Impferfolgen verbuchen der Premier und seine Konservativen steigende Beliebtheitswerte. Repr??sentativen Umfragen zufolge w??rde Johnson auch jetzt eine Wahl gewinnen ??? nachdem die vielen Pannen w??hrend der Pandemie die Briten zeitweise vor allem unzufrieden mit seiner Regierungsarbeit gestimmt hatten.
Johnsons entzerrter, aber bestimmter Plan scheint nun verschiedene Interessengruppen zu befrieden: Die sich ??ber Monate hinziehende Lockerung ist ein Zugest??ndnis an die obersten Wissenschaftler, die vor ??berst??rzten Handlungen warnen. Die Priorit??t auf Schul??ffnungen und neue Besuchsrechte f??r Altenheime ist gleichzeitig eine Entlastung f??r britische Familien. Und das Versprechen von einem ??irreversiblen?? Ende des Shutdowns d??rfte wohl alle Briten freuen.
Opposition wirkt plan- und visionslos
Innenpolitisch kann Johnson zudem gegen die Opposition punkten. So lobte selbst Labourchef Keir Starmer dessen Plan im Unterhaus umgehend als ein ??Licht am Ende des Tunnels??. Er bedanke sich bei Johnson und allen, die den Plan mitentwickelt h??tten, so Starmer. Dabei kommt seine Partei bei Johnsons Vorsto?? nicht besonders gut weg: W??hrend Labour alle unliebsamen Vorsichtsma??nahmen mitgetragen hatte und eher auf Vorsicht pochte, wirkt die Opposition neben Johnsons Vorsto?? geradezu plan- und visionslos.
DER SPIEGEL
Gegenwind f??r sein Vorhaben erf??hrt der Premier am ehesten aus den eigenen Reihen. Bei dem Beschluss der aktuell geltenden Corona-Regeln hatten ihm im Januar so viele Parteifreunde wie nie ihre Stimme vorenthalten. Die Shutdown-skeptische Covid Recovery Group innerhalb seiner Fraktion z??hlt mittlerweile mehr als 70 Mitglieder ??? ihnen kommen die jetzt vorgeschlagenen Lockerungen nicht schnell genug. Angesichts der Impferfolge gebe es keinen Grund, l??nger als bis zum 30. April mit der vollst??ndigen Aufhebung aller Corona-Regeln zu warten, verlautbarte die Gruppe.
Tats??chlich ist es noch ein langer Weg bis zum angestrebten Ende der Corona-Regeln Ende Juni. Seit dem 5. Januar befindet sich Gro??britannien im strengen Shutdown ??? zu diesen sieben Wochen k??men bis Ende Juni noch 18 weitere hinzu.
Hinzu kommt, dass Johnsons Versprechen nur bedingt vertraut werden kann. Zu oft riss der Premier etwa in den Brexitverhandlungen Fristen, brach sein Wort und verletzte internationales Recht. Und: Das Virus k??nnte Johnsons Pl??ne in Form neuer Ausbr??che und Mutationen immer noch durchkreuzen.
Kollateralsch??den erwartet der Premier jedoch anscheinend ohnehin. Mit jeder Lockerung gingen neue Ansteckungen, Krankenhausaufenthalte und Todesopfer einher, sagte er bei der Vorstellung des Plans. Sollte sein Zeitplan auch scheitern ??? damit d??rfte er in jedem Fall Recht behalten.