Bericht der Wehrbeauftragten
Die Truppe wird immer ??lter
In ihrem ersten Jahresbericht warnt die neue Wehrbeauftragte Eva H??gl vor einer ??beralterung der Streitkr??fte. Die Pandemie hat die Personalprobleme der Truppe versch??rft, immer noch dienen viel zu wenig Frauen.
Foto: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres??/ picture alliance / Geisler-Fotopress
Das Elend l??sst sich in einer Zahl zusammenfassen: 3,1. Um so viele Jahre ist das Durchschnittsalter von Berufs- und Zeitsoldaten seit 2012 gestiegen. Damals, kurz nach dem Aussetzen der Wehrpflicht, lag es bei 30,3 Jahren, inzwischen sind diese Soldaten im Durchschnitt 33,4 Jahre alt.
Was harmlos klingt, ist in Wahrheit besorgniserregend. Diese Entwicklung sei ??mit Blick auf die Einsatzbereitschaft der Streitkr??fte wenig zweckdienlich??, schreibt die neue Wehrbeauftragte in ihrem ersten Jahresbericht, der an diesem Dienstag ver??ffentlicht wird. Der Trend d??rfe sich nicht ??verstetigen??, warnt die Sozialdemokratin Eva H??gl, ??wachsende Strukturen in ??mtern, St??ben und im Ministerium tragen nicht zur Attraktivit??tssteigerung von Verwendungen in der Kampftruppe bei??.
Eine alternde Truppe, die immer kopflastiger wird, schreckt zwar auch noch ab ??? aber eben nicht mehr den Russen, sondern vor allem Bewerber, also ??k??rperlich uneingeschr??nkt einsetzbare, zumeist junge Soldatinnen und Soldaten??, die der Kampftruppe fehlen.
??berall fehlt Personal
Der Personalmangel der Bundeswehr ist inzwischen dramatisch. Ende 2020 waren mehr als 20.000 milit??rische Dienstposten in den h??heren Laufbahnen unbesetzt, jede f??nfte Kraft fehlte, und die Pandemie hat diese Entwicklung noch versch??rft. Im vergangenen Jahr wurden Corona-bedingt 19 Prozent weniger Frauen und M??nner eingestellt als im Vorjahr. Um die internen Ziele zumindest halbwegs einhalten zu k??nnen, versuchte die Truppe, bereits aktive Soldaten l??nger zu halten, ??was wiederum zur Folge hat, dass die Bundeswehr immer ??lter wird??, schreibt H??gl.
Wehrbeauftragte Eva H??gl mit Soldaten im tempor??ren Corona-Behandlungszentrum auf dem Berliner Messegel??nde
Foto: Christoph Soeder??/ picture alliance/dpa
In einigen Bereichen fehle ein Drittel oder gar die H??lfte des erforderlichen Personals, und das schon seit Jahren. Die Bundeswehr nehme nicht nur Einbu??en bei der Auftragserf??llung in Kauf, hei??t es in dem Bericht, ??sie riskiert auch die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten, die den Mangel mit hohem pers??nlichem Einsatz auszugleichen versuchen und sich dabei verschlei??en??. Darunter leide die pers??nliche Motivation der Soldaten, ??die sich von ihrem Dienstherren alleingelassen f??hlen??.
Es fehlen vor allem die Spezialisten:
Beim Heer sind beim luftfahrttechnischen Personal die Dienstposten f??r Offiziere nur zu 60 Prozent besetzt.
Bei den Spezialpionieren fehlen 151 von 348 Unteroffizieren.
In der ABC-Abwehrtruppe sind es sogar mehr als die H??lfte der Unteroffiziere.
Das gleiche Bild zeigt sich bei der Marine und der Sanit??t: Dort fehlen vor allem Fach??rzte ??? zw??lf von 28 Neurochirurgen und 121 von 499 Sanit??tsoffizieren in der Rettungs- und Notfallmedizin.
Besonders schlimm aber ist der Personalmangel in der Luftwaffe. Von den 220 Dienstposten f??r Jetpiloten sind nur 106, also weniger als die H??lfte, besetzt. Bei Hubschrauberpiloten sieht es nicht viel besser aus. Dort fehlen 48 Prozent des Personals. Der Frust bei Piloten, die fliegen wollen, aber nicht k??nnen, sei hoch, hei??t es in H??gls Bericht:
??Ein Pilot schilderte, sein Lehrgang im Rahmen der Ausbildung am Waffensystem Eurofighter sei mehrfach wegen fehlender Ausbildungskapazit??ten im In- und Ausland verschoben worden. Insgesamt musste er 19 Monate auf den Ausbildungsabschnitt warten. Da er nach seiner Pilotenausbildung nicht auf dem Flugzeugmuster fliegen konnte, f??r das er den Flugschein erworben hatte, wurde ihm die Fliegerzulage aberkannt. Zudem verlor er seine Fluglizenz, weil er die vorgeschriebenen Flugstunden nicht absolvieren konnte.??
Dramatisch ist die Lage in den Zentren f??r Cyberoperationen und Cybersicherheit. Dort fehlen die IT-Experten, und es gibt keine Aussicht auf Besserung. ??Das ist alarmierend??, schreibt H??gl, ??weil hier mit der F??higkeit zur Cyberverteidigung und Wirkung durch Computeroperationen eine Kernf??higkeit des Organisationsbereiches betroffen ist.??
Bundeswehr bleibt ??M??nnerdom??ne??
Auch der Geheimdienst der Bundeswehr, der Milit??rische Abschirmdienst (MAD), hat akute Nachwuchsprobleme. Der Dienst soll deutlich gr????er werden, um die wachsende Extremismusgefahr in der Truppe zu bek??mpfen, doch er findet keine Leute. ??Ein privater Arbeitsmarkt f??r Extremismusexperten existiert nicht??, hei??t es in dem Bericht der Wehrbeauftragten, ??und im ??ffentlichen Sektor konkurriert das Bundesamt f??r den Milit??rischen Abschirmdienst mit den Verfassungsschutzbeh??rden der L??nder und dem ebenfalls in K??ln beheimateten Bundesamt f??r den Verfassungsschutz.??
Eine Bev??lkerungsgruppe ist in der Truppe nach wie vor kaum vertreten. ??Auch nach 20 Jahren hat die Bundeswehr im Hinblick auf den Frauenanteil ihre selbst gesteckten Ziele noch nicht ann??hernd erreicht??, schreibt H??gl. Am 11. Januar 2000 urteilte der Europ??ische Gerichtshof, dass die Regelung des Grundgesetzes, die Frauen den Dienst an der Waffe verbot, gegen europ??isches Recht versto??e. Laut Gesetz muss die Bundeswehr eine Frauenquote von 15 Prozent erreichen ??? tats??chlich sind es nur knapp neun. Nur bei der Sanit??t stellen Frauen inzwischen 45 Prozent.
Eine ??nicht unerhebliche Anzahl der Soldaten?? sehe die Bundeswehr nach wie vor als ??M??nnerdom??ne?? an, kritisiert H??gl, die gleichzeitig lobt, dass sich die Streitkr??fte mit ??frauenfeindlichen Verhaltensweisen in den eigenen Reihen zunehmend ernsthaft und intensiv auseinandersetzen und strikte Ma??nahmen ergreifen, um dagegen vorzugehen??.
Doch das reicht nicht. Es seien weiterhin gro??e Bem??hungen erforderlich, schreibt die Wehrbeauftragte, ??um Frauen in der Bundeswehr wirklich zur Normalit??t werden zu lassen??.