Bilanz nach einem Jahr Was der Berliner Mietendeckel gebracht hat ??? und wo er schadet

Berliner Szenebezirk Mitte: Knappes Angebot, massive Nachfrage
Foto: Jens Kalaene/ picture alliance / dpaKritiker, zum Beispiel in der CDU, sprechen von einer ??historischen Dummheit??, Bef??rworter von einem ??Segen?? f??r viele Menschen: Der Berliner Mietendeckel ist der wohl st??rkste staatliche Eingriff in den Wohnungsmarkt seit Ende des Sozialismus. Seit einem Jahr nun gelten in der Hauptstadt staatliche Mietobergrenzen.
Die Zwischenbilanz f??llt gemischt aus: W??hrend das rot-rot-gr??ne Regierungsb??ndnis im Roten Rathaus die Spirale immer h??herer Mieten durchbrochen sieht, beklagt die Immobilienwirtschaft drastische Einnahmeverluste und f??hrt ihre Investitionen zur??ck.
Mit Inkrafttreten des bundesweit bisher einmaligen Gesetzes, das zun??chst auf f??nf Jahre bis 2025 befristet ist, sind die Mieten f??r rund 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Sie d??rfen erst ab 2022 wieder steigen, nach jetzigem Stand h??chstens um 1,3 Prozent j??hrlich. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an Obergrenzen halten. Sie bemessen sich an Alter, Ausstattung, Lage und der zuletzt verlangten Miete der Wohnung.
Der Deckel soll Mietern eine ??Verschnaufpause?? verschaffen, so Wohnsenator Sebastian Scheel (Linke). Denn die Hauptstadt hat sich zum Tummelplatz deutscher und internationaler Immobilieninvestoren entwickelt, die gute Rendite wittern. Jahrelang stiegen die Mieten hier st??rker als anderswo in Deutschland, auch wenn sie l??ngst noch nicht an das Niveau von St??dten wie M??nchen oder Frankfurt heranreichen. Nach Berechnungen des Dachverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA) kletterten Neuvertragsmieten zwischen 2013 und 2019 um 27 Prozent.
Ersparnis bis zu mehreren Hundert Euro monatlich
Scheel sagt, die Berliner Mieten h??tten sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt, ohne dass die Einkommen h??tten mithalten k??nnen. ??Die Konstruktion der Mietpreisbremse hat hier komplett versagt??, so der Senator mit Blick auf eine Regelung des Bundes zur Begrenzung von Mieterh??hungen. Sie erm??glicht den L??ndern seit Juni 2015, ??Gebiete mit angespannten Wohnungsm??rkten?? auszuweisen, in denen Vermieter beim Einzug neuer Mieter dann h??chstens zehn Prozent auf die ??rtliche Vergleichsmiete aufschlagen d??rfen.
Der Berliner Mietendeckel ist hier deutlich sch??rfer. Am 23. November 2020 z??ndete seine zweite Stufe: Mieten, die mehr als 20 Prozent ??ber den Obergrenzen liegen, sind seither gesetzlich verboten und m??ssen vom Vermieter gesenkt werden. Der Senat geht davon aus, dass das 340.000 Wohnungen betrifft, das Hamburger Forschungsinstitut F+B sch??tzt die Zahl auf 512.000 Wohnungen. Mieter k??nnen mitunter mehrere Hundert Euro monatlich sparen.
Nach Einsch??tzung Scheels h??lt sich die gro??e Mehrheit der Vermieter an die Vorgaben. Andere sind erfinderisch bei Umgehungsstrategien. Sie vereinbaren etwa neben der Deckelmiete eine h??here Schattenmiete f??r den Fall, dass das Gesetz juristisch gekippt wird. Andere schlie??en gesonderte Mietvertr??ge f??r M??bel ab oder drohen, befristete Vertr??ge nicht zu verl??ngern, wenn der Mieter auf Einhaltung des Mietendeckels besteht. Wieder andere setzen auf Nutzungs- statt Mietvertr??ge. ??Die meisten davon sind schlicht gesetzeswidrig??, sagt Scheel und verweist auf drohende Bu??gelder von bis zu einer halben Million Euro.
Kaum noch Reserven
W??hrend die Mieten in fast allen gro??en St??dten 2020 weiter gestiegen seien, seien sie in Berlin gesunken, freut sich der Senator dennoch und f??hrt das auf den Deckel zur??ck. Der Gesch??ftsf??hrer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, sieht das genauso. ??Der Mietendeckel hat zweifellos bei bestehenden Mietverh??ltnissen f??r eine Entlastung bei der Mietpreisentwicklung gesorgt.?? Auch ein R??ckgang der tats??chlich gezahlten Mieten bei Neuvermietungen sei erkennbar. ??Ein Segen??, so Wild.
Die Nebenwirkungen sind allerdings erheblich. Und sie k??nnten daf??r sorgen, dass die dramatische Wohnungsnot in der Hauptstadt noch f??r lange Zeit bestehen bleibt, selbst wenn der Mietendeckel wie versprochen wieder abgeschafft wird. Denn Investoren haben sich l??ngst umorientiert und bauen woanders. Auch die Etats f??r Instandhaltung und Modernisierungen wurden sp??rbar zur??ckgefahren ??? nicht nur von den knallhart kalkulierenden Fondsgesellschaften und Gro??vermietern, sondern auch von Genossenschaften, die mit den vom Senat vorgeschriebenen Mieten kaum noch Reserven bilden k??nnen.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) etwa, der private, genossenschaftliche und kommunale Firmen mit 730.000 Wohnungen in Berlin repr??sentiert, beziffert die Einnahmeverluste seiner Mitglieder w??hrend der Geltungsdauer von f??nf Jahren auf rund 900 Millionen Euro. Das Minus bei Investitionen in Neubau, Modernisierung und Klimaschutz sch??tzt der Verband auf 4,5 Milliarden Euro.
Mietmarkt eingefroren
Auch der Druck auf Mieter, eine eigentlich zu gro??e Wohnung zugunsten einer kleineren aufzugeben, hat sp??rbar nachgelassen. Als Folge davon ist die Zahl der Wohnungswechsel deutlich zur??ckgegangen.
??Der Mietendeckel hat die angespannte Lage am Berliner Wohnungsmarkt dramatisch verst??rkt??, sagt ZIA-Pr??sident Andreas Mattner. ??Die Zahl der zur Vermietung angebotenen Wohnungen hat sich innerhalb eines Jahres halbiert.?? Rund 140 Interessenten k??men im Schnitt auf eine Wohnung, das sei bundesweit der h??chste Wert.
Experten zweifeln ebenso daran, dass durch den Mietendeckel tats??chlich mehr Gerechtigkeit geschaffen wird. Denn der gut bezahlte Chefarzt profitiert von der Senkung des Mietpreises f??r seine gro??e Charlottenburger Altbauwohnung viel st??rker als der Kleinverdiener in einer Weddinger Sozialbausiedlung. Au??erdem trifft die Regelung auch jene gro??e Zahl von Vermietern, die keineswegs das Klischee eines reichen Miethaies erf??llen.
Eine Gemeinsamkeit haben Kritiker und Bef??rworter des Mietendeckels: Sie blicken gespannt nach Karlsruhe. Nach diversen Klagen entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob das Gesetz juristisch haltbar ist. Der Termin steht noch nicht fest.